
Der spektakulärste WG-Echtzeit-Roman aller Zeiten geht in eine neue Runde!
Langsam ist in der Tat immer noch kein roter Faden erkennbar, aber ich arbeite dran, versrochen.
Und fühlt Euch nicht gezwungen nicht zu kommentieren. Das wäre ganz ganz furchtbar, in echt jetzt!
Gildas Gerdes und die blöse Bume
Kapitel 3: Ein ominöser Orthopäde
Die letzten sieben Jahre schon, war Dr. Dope Gildas' Orthopäde des Vertrauens. Es war ihm nämlich nicht zueigen, ganz im Gegensatz zu gewöhnlichen Patienten, sich seine Ärzte nach dem Adlersuchsystem aus den Gelben Seiten herauszufischen, sondern es bedurfte in Gildas' Fall einer langwierigen Suche nach den idealen Maßen an Seriösität, Erfahrung und sowohl fachlicher als auch menschlicher Kompetenz. Dies alles hatte Gildas nach monatelanger Recherche und einem unerhörten Verschleiß von Überweisungsscheinen, schlussendlich im dritten Stock der Marienstraße Nummer siebenundfünfzig gefunden.
Dr. Adolfonsonson Dope besaß, neben seiner sachkundigen Reife, auch ein ungemein geduldiges und verständnisvolles Wesen, was nicht zuletzt seinem hohen Alter zuzuschreiben war, denn er hatte in seiner langen Laufbahn als praktizierender Orthopäde schon allerlei Spirenzien seitens seiner Patienten über sich ergehen lassen müssen, was ihm mit der Zeit einen gewissen Gleichmut eingebracht hatte, der jedoch nie die Zutrefflichkeit seiner Diagnosen in Frage stellte, sondern vielmehr in der Unerschütterlichkeit seines Wesens die Konsequenz fand. Wenn es etwas gab, was man unter die Karteikarte der Persönlichkeitseigenschaften mit dem Stichwort "Verschrobenheiten" abheften konnte, dann war es sicher Dr. Dopes Paranoidität. Der Ursprung jener Persönlichkeitsstörung, ist sicher bei einem schon Jahrzehnte zurückliegenden Vorfall zu suchen, bei dem ein sich betrogen fühlender Patient, mit vorgehaltener Waffe die Herausgabe seines Hüftgelenkes forderte, das ihm zuvor bei einer entsprechenden Operation entnommen und durch ein Imitat ersetzt wurde. Schlussendlich war es nur der ungemein schlechten Wandbefestigung einer im Behandlungszimmer hängenden Kuckucksuhr zu verdanken, deren Insasse punkt zwölf Uhr Mittags durch sein penetrantes Gekuckse besagte Kuckucksuhr zum Absturz brachte, zielsicher auf den Hinterkopf des rebellierenden Patienten landete und ihn so außer Gefecht setzte. Auch wenn dieser Zwischenfall glimpflich ausgegangen war, hatte er sich doch auf Lebenszeit in das friedlich-sensible Gemüt des Orthopäden eingebrannt, weshalb er in den vergangenen Jahren allerlei Vorkehrungen getroffen hatte, damit er so etwas fürchterliches nie wieder erleben müsse.
Wie jeder andere Patient, wurde auch Gildas von zwei mit Keulen bewaffneten Sicherheitsbeamten zur Theke der Vorzimmertruller geleitet, wo er hoffte schnellstmöglich einen Termin bei Dr. Dope zu bekommen, da sein Knie nun immer unerträglichere Schmerzen verursachte.
Frau Truller war gerade in ein sinnfreies Gespräch mit einer ihrer Kolleginnen verwickelt und studierte dabei die makellose Eleganz ihrer schreiend pinken, künstlichen Fingernägel. Erst als die Sicherheitsleute von Gildas' Seite gewichen waren, um weitere Neuankömmlinge zu begrüßen und er sich zum dritten Mal künstlich geräuspert hatte, blickte Frau Truller auf, wobei ihr eben noch billig amüsiertes Gesicht zu einer gelangweilten Alltagsmiene erschlaffte. Selbst ihr spektakulär verdauerwelltes, orangenes Haar und ihr in den Siebzigern gefangenes Make-up konnten nicht über einen säuerlichen Gesichtsausdruck hinwegtäuschen, der zu sagen schien, daß sie gerade, auf unangenehmste Art und Weise, aus einem banal schönen Tagestratsch gerissen worden war.
"Ja bitte?" fragte sie geschäftlich und schaffte es dabei die Freundlichkeit in ihrer Stimme auf ein Minimum zu reduzieren.
"Ehm, ich hätte gerne einen Termin wegen meines Knies, ....schon wieder." fügte Gildas dann noch hinzu, als die Truller mit einem ungläubigen Blick ihre linke Augenbraue anhob. Gildas war hier gewiss kein Unbekannter, da er schon wegen diverser Wehwehchen bei Dr. Dope in Behandlung war.
Die Truller blätterte ein wenig gelangweilt im Terminkalender herum, schien dabei aber nicht wirklich reinzuschauen. Schließlich sagte sie: "Ich kann ihnen einen Termin am 15. Oktober geben, um acht Uhr dreißig."
"Aber das ist ja erst in über drei Monaten!" beschwerte sich Gildas.
"Es tut mir leid, aber ich habe hier einfach nichts mehr frei. Es sind ja auch bald Sommerferien. Da ist das immer ein wenig schwierig." erklärte die Truller mitleidslos.
Gildas wollte sich mit dieser Niederlage schon abfinden, doch plötzlich fiel ihm etwas ein und er sagte die magischen Worte, welche Frau Truller dazu veranlassten in ihre Kaffeetasse zu husten, aus der sie gerade trank und daraufhin ihr goldigstes Lächeln aufzusetzen.
"Sie sind Privatpatient? Warum haben sie das nicht gleich gesagt? Passt es ihnen jetzt gleich?" fragte Frau Truller, die jetzt irgendwie ein wenig aufgeregt schien.
"Gewiss doch, meine Dame." antwortete Gildas weltmännisch.
Frau Truller stand auf und bedeutete Gildas mit künstlichstem Lächeln, ihr zu folgen. Sie führte ihn, vorbei am hoffnungslos überfüllten Warteraum für gesetzlich Versicherte, durch einen langen Flur, bis zu einer massiven Tür am Ende des Ganges, an dessen Seite ein Wasserspender stand und direkt daneben, eine kleine Konsole mit einer Tastatur, in der die Arzthelferin das tagesaktuelle Passwort eintippte, um die schwere Titantür zu Dr. Dopes Behandlungszimmer zu öffnen.
Auch wenn Gildas schon zahlreiche Male hier gewesen war, versetzte ihn dieser Raum doch immer wieder in unverholenes Erstaunen. Er meinte sogar, daß sich diesmal noch mehr Eigenartigkeiten hier versammelt hatten.
Als Gildas vor einigen Jahren das erste Mal dieses eigenartige Behandlungszimmer betreten hatte, dachte er zunächst, er hätte sich in der Tür geirrt und wäre stattdessen in der Kuckucksuhrabteilung von Karstadt-Heim und Technik gelandet. Es schien keinen Quadratzentimeter Rauhfasertabete mehr zu geben, der nicht von einer solchen Uhr bedeckt war, von denen jede einzelne ein einzigartiges Ticken von sich gab, welches, mit den sicher über hundert anderen, einen anstrengenden Klangteppich aus mechanischen Uhrwerken und pendelnden Pendeln wob. Als Gildas den Blick weiter schweifen lies, entdeckte er weitere Sonderbarkeiten, wie etwa einem storchbeinigen, kleinen Tisch, auf dem sich ein filigranes, silbernes Instrument befand, dessen Einzelteile um die unmöglichsten Achsen rotierten, nur um, wie es für Gildas den oberflächlichen Anschein machte, ein monotones Fiepen wiederzugeben, welches jedoch kaum gegen den Lärm der Kuckucksuhren anstinken konnte. Von diesen ominösen Instrumenten gab es noch einige weitere in den Regalen, in denen für gewöhnlich dicke Wälzer über die Anatomie des menschlichen Skelettes zu finden sein sollten, aber bei keinem einzigen erschloss sich Gildas der Sinn und Zweck dieser Apparatur. Hinter einem schweren Mahagonischreibtisch saß damals wie heute Dr. Adolfonsonson Dope, ein großer, bärtiger Mann, und blickte beschäftigt in ein Pornomagazin.
Der Raum war nach wie vor dunkel und stickig, da die Vorhänge vor die Fenster gezogen waren, die wiederum wohl seit Tagen nicht geöffnet wurden, um frischer Luft Einlass zu gewähren.
Frau Truller räusperte sich einmal kurz.
"Moment, Moment, ich bin ja gleich fertig." antwortete Dr. Dope kurz angebunden und ein wenig gereizt.
Wie gebannt blickte er auf sein Magazin, während er sich mit der freien Hand genüsslich über seinen langen Silberbart strich, den er, aufgrund seiner enormen Länge, stets in seinem Gürtel einzuklemmen pflegte. Sein langes, fast perlweisses, hüftlanges Haar hatte er mit einem Haargummi zusammengezurrt, um seiner Widerspenstigkeit einigermaßen Herr zu werden.
"Ok, das wäre erledigt. Kommen sie doch herein Herr...".
Der Orthopäde blickte kurz von seinem Schreibtisch auf und fokussierte seinen Patienten durch seine halbmondförmige Brille hindurch.
"Ach du bist es Gildas. Komm doch rein. Willst du nen Keks?"
Der Doc reichte ihm eine porzellanene Schüssel mit allerlei alten Keksen und da Gildas nicht unhöflich sein wollte, nahm er sich den kleinsten, den er finden konnte und würgte ihn unter Tränen hinunter.
Dr. Dope stand von seinem ledernen Sessel auf, streckte sich auf seine "über zwei Meter", steckte die Spitze seines langen Bartes wieder in den Gürtel und betrachtete seinen treuen Patienten eine Weile, bevor er fortfuhr:
"Wie geht es Deinem Musikantenknochen? Tut er immer noch weh, wenn Du Dich stößt?"
"Ehm, ja." gab Gildas leicht beschämt zurück. "Aber deswegen bin ich nicht hier. Es ist..." er brauchte eine Weile, bis er wusste was er alles erzählen und in welche Worte er es verpacken sollte.
"Mein linkes Knie tut wieder weh."
Dr. Dope, der eben noch in seinem Büro auf und abschritt, hielt plötzlich mitten in der Bewegung inne und blickte Gildas über seine Halbmondbrille hinweg in die Augen.
Gildas war sich bei seinem Orthopäden des Vertrauens nie ganz sicher, was dessen derzeitige Gefühlslage anbelangte, doch er hätte schwören können, daß für einen kurzen Augenblick so etwas wie tiefes Mitgefühl in seinem Blick begraben lag. Doch so schnell dieser Verdacht gekommen war, so schnell verwehte er auch wieder, durch die folgenden Worte des Bärtigen.
"Ich schreibe Dir eine Fünfzigerpackung Simopreudosomalalalin-Links auf. Das sind starke Tabletten gegen Schmerzen im linken Knie."
"A-aber, sie haben sich mein Knie ja noch nichteinmal angesehen!" protestierte der Hypochonder lautstark.
Dr. Dope kam gemessenen Schrittes auf Gildas zu, beugte sich mit seinem Gesicht dicht zu dem von Gildas hinunter, bis seine lange Madernase die knollige von Gildas fast berührte und sagte mit ruhiger, aber entschiedener Stimme: "Vertraue mir einfach. Ich werde Dir alles erklären wenn Du älter bist, aber Dein Geist und Dein Herz sind noch nicht bereit für die Wahrheit."
"Also... also dann verschweigen sie mir etwa etwas?"
Es war nur ein entsetztes Flüstern, welches Gildas' Lippen verließ und während er diese Worte aussprach, wich er vorsichtig ein paar Schritte zurück, da er Dr. Dopes würzigem Mundgeruch nicht mehr gewachsen war.
Auch der Doc machte jetzt einen Schritt zurück und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf.
"Es tut mir leid Har... äh Gildas, aber mehr kann ich Dir im Augenblick leider nicht verraten, da der Roman im Moment dringend einen dramaturgischen Spannungsbogen benötigt."
Gildas wusste dem nichts entgegenzusetzen und schwieg bedrückt.
Der Orthopäde ging zurück hinter seinen Schreibtisch und öffnete eine seiner Schubladen. Nachdem er eine Weile darin herumgekramt und viel Staub aufgewirbelt hatte, kam eine kleine smaragtgrüne Schachtel zum Vorschein, die er seinem Patienten unverholen zuwarf.
Gildas rieb sich die Stirn, hob die Schachtel vom Boden auf und studierte die Verpackung. In verschlungendster weisser Schrift stand das Wort Simopreudosomalalalin-Links drauf und darunter kleiner und kaum noch lesbar: "Pseudosomatische Schmerzpastillen für das linke Knie".
"Nimm zu jeder Malzeit eine Tablette ein. Bei Vollmond zwei und es wird Dir in ein paar Wochen vom einen auf den anderen Tag plötzlich und schlagartigst besser gehen." wies der Doktor seinen Patienten an.
Gildas steckte das Wundermittel in seine Tasche und verabschiedete sich wortlos von seinem Knochendoc.
Als Gildas nach draußen ins Sonnenlicht trat, war es, als würden die warmen Strahlen seinen Verstand wieder in Betrieb setzen und er musste sich urplötzlich mit der Frage konfrontiert sehen, wieso er sich so leicht hatte abspeisen lassen. Wenn es da ein Geheimnis um sein fluchendes Knie gab, hatte er dann nicht das Recht es zu erfahren? Er war doch immerhin schon erwachsen genug um der Wahrheit standhaft gegenüberzutreten!
Fest entschlossen den Doktor diesmal nicht so billig davonkommen zu lassen, drehte sich Gildas auf dem Absatz um und schritt zurück zur Eingangstür der Orthopädiepraxis. Doch anstatt dieselbe aufzustoßen, rannte er gegen ihre, mit Sicherheitsdraht durchspannte, Glasscheibe. Sie war verschlossen! Wie konnte das sein? Entsetzt wich Gildas ein paar Schritte zurück und erkannt nun, daß dort, wo eben noch ein hochmodernes Ärztehaus gestanden hatte, eine marode Bauruine stand, die dem Ihmezentrum in Sachen Verfall und Nutzlosigkeit in nichts nachstand.
Gildas fasste sich ungläubig an den Kopf, schaute nach links und nach rechts, um sich zu vergewissern, daß er nicht aus dem Ausgang eines anderen Hauses gekommen war, doch dem war nicht so. Wo zur Hölle war er die letzte halbe Stunde bitte gewesen, wenn nicht in der Praxis seines langjährigen Orthopädens? Hatte er sich etwa eben die ganze Zeit in Trance mit einem Bauarbeiter unterhalten? Weit und breit war kein Mensch zu sehen, der in Frage kam.
Dann, wie einer Eingebung folgend, griff Gildas in seine Tasche, tastete fieberhaft in ihr herum und zog schlussendlich ein kleines, smaragtgrünes Schächtelchen heraus. Sein Herz pochte wie wild.